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Erwachen aus dem Ich-Traum

Während ich diese Worte schreibe, merke ich Anspannung in meinem Körper. Ich stelle mir vor, dass ich frustriert bin, weil es keine Worte gibt, um diese Erfahrung auch nur ansatzweise wiederzugeben. Hier ein hoffnungsloser Versuch.

Im Laufe eines 8-Tage-Retreats in Liensfeld merkte ich, dass sich etwas bei mir veränderte. Ich konnte mir nicht genau erklären, was es genau war, aber es kam der Gedanke auf, dass genau das geschah, worauf ich seit über 10 Jahren wartete. Wonach ich lange verzweifelt gesucht habe.

Ich ging zu einem der Trainer und schaute ihm in die Augen. Er schien genau zu wissen, was bei mir los war. Ich habe in seinen Augen eine Leere wahrgenommen, die mich wie ein schwarzes Loch aufsog. Da war niemand hinter diesem Blick. Und es war, als würde ich in diese Leere hineinfallen und mich darin auflösen.

Der Trainer umarmte mich und ich habe ihn zurück umarmt. Ich habe geweint. Es war ein Weinen, wie es das letzte Mal vielleicht als Säugling stattfand. Es gab kein Zurückhalten. Keine Blockade. Nicht ich weinte, sondern das Weinen geschah, ohne, dass irgend jemand dem Weinen im Wege stand. Mit dem Weinen löste sich eine Anspannung im Oberkörper. Und plötzlich gab es nur noch das, was gerade geschah.

Es geschah ein Körper, der die Treppen hinunter stieg und in den Garten rausging. Es geschah Sonne, Wiese, sprechende Menschen. Es geschah Atmen und Umherlaufen.

Es geschah nur noch das, was geschehen wollte. Wie ein reiner, kindlicher und spielerischer Impuls, der alles antrieb. Es herrschte eine unumstößliche Klarheit, dass alles bereits in Ordnung ist. Nicht nur das. Alles, was in diesem ewigen Moment des einfachen Seins auftauchen könnte, wird auch in Ordnung sein. Es gab keine Zweifel, keine Sorgen, kein Hadern. Nur noch absolute Freiheit und die ganz simple und einfache Ist-Heit.

Der Körper wanderte im Garten umher und lief an einem Glas vorbei, an dem ein Namensschild „Wojtek“ aufgeklebt war. Der Name war bekannt, jedoch nur als Erinnerung an eine Person, die mal hier zu sein schien. Jetzt aber war sie nicht mehr da.

Die anderen Menschen im Garten unterhielten sich. Sie wirkten so weit weg, wie Schauspieler in einem Theaterstück. Sie waren so sehr versunken in ihrem Spiel, dass sie wie in Trance schienen. Träumer, versunken in ihrem Traum, jemand zu sein und etwas Wichtiges zu tun. Es gab kaum noch etwas, das mit den anderen Menschen besprochen werden musste. Das einzige, was übrig war, war ein kindlicher Spieltrieb, der den jetzigen Moment in seiner Fülle erfahren wollte.

Diese Erfahrung im Garten war nicht persönlich, im Sinne, dass jemand diese Erfahrung machte. Es war keine Person, die Klarheit erfuhr. Vielmehr war es das einfache Sein, das sich seiner selbst gewahr wurde. Es war das Sein, das als Klarheit über die Abwesenheit eines Individuums erschien.

Im Garten war eine junge Frau. Ich hatte die Fantasie, sie sei in einem ähnlichen Zustand. Allerdings gab es dort noch so etwas wie Überreste einer Rolle. Sie wirkte verwirrt und schien Angst zu haben, verrückt zu werden und sich selbst zu verlieren.

Heute verstehe ich es so, dass die Erleuchtung nicht in den Personen eintrat. Erleuchtung ist immer da und manchmal erscheint die Klarheit darüber, dass sie schon immer da war und es nie wirklich echte Personen gab. Und diese Klarheit war ein Phänomen, das vielmehr vom Garten ausging als von den Individuen.

Bin ich jetzt erleuchtet? Nein. Niemand ist erleuchtet. Es war nie jemand erleuchtet und es wird nie eine erleuchtete Person geben. Es gibt jedoch das Gewahrsein und die Gewissheit dessen, was ist und dessen, was nicht ist. Dieses Gewahrsein ist alles, was gerade ist und was schon immer war. Ist-Heit erscheint als das, was ist und das, was nicht ist. So erscheint Ist-Heit als Traum, ein Individuum zu sein. Und manchmal erscheint es auch als Wegfallen des Traums, ein Individuum zu sein.

Auf dieser Seite des Monitors herrscht also absolute Klarheit und Gewissheit darüber, dass es niemanden gibt, der diesen Text schreibt. Vielmehr erscheint das Schreiben eines Textes, ohne einen Autor und ohne einen Text. Ein göttliches Spiel aus Licht und Schatten ohne jegliche Substanz. Ohne Sinn. Ohne Grund. Ohne Zweck. Ohne Funktion. Bereits vollständig, verwirklicht und perfekt. Unbegreiflich und doch erfahrbar.

Einfach nur das, was ist.